Die Bunte Republik Neustadt und ihr jährliches Fest am dritten Juniwochenende waren schon immer Gegenstand von kritischen Überlegungen, Auseinandersetzungen, neuen Ansätzen und dem begleitenden Gefühl, früher war alles besser. Letzteres stimmt aber einfach nicht. Denken wir an 2009 zurück: die Anzahl der lieblosen Bierwägen wuchs von Jahr zu Jahr, es gab kaum mehr Leute auf der BRN, die den übergreifenden Gedanken des Festes im Hier und Jetzt lebten, einige Aktive der Jahre zuvor hatten sich zurückgezogen, manche ganz, manche auf ihre eigene Insel der Glückseligkeit. Diese Entwicklung wurde in mehreren Workshops von Veranstaltern und Anwohnern zum Thema gemacht und es wurde ein Versuch gestartet, die BRN zu retten. Die Schwafelrunde (ohne Ritter) (was für ein Name!) gründete sich.
Vom Selbstverständnis her war die Schwafelrunde ein freiwilliges, offenes Gremium für große und kleine Veranstalter, Anwohner und Institutionen wie der Kirchgemeinde, Abgeordnetenbüros und Kulturvereine. Die Schwafelrunde wollte Initiativen innerhalb des Stadtteils anstoßen, auch über das BRN-Wochenende hinaus. Sie wollte der Ansprechpartner für andere Institutionen, die Presse und vor allem für die Ämter der Landeshauptstadt sein. Außerdem sollten organisatorische Fragen, die das ganze Fest betreffen angegangen werden. Die Schwafelrunde wollte also Funktionen, die normalerweise ein Generalveranstalter bei einem Fest dieser Größenordnung einnimmt wahrnehmen, weil es einen solchen bei der BRN bekanntlich nicht gibt.
Der Schwafelrunde, die sich unter dem Jahr lose und in Vorbereitung auf das Fest dann immer regelmäßiger traf, gehörten über die Jahre ca. 50 Personen an, die Regel waren 5-10 Teilnehmer bei den Sitzungen. Trotz aller Bemühungen, die teilweise auch ziemlich erfolgreich waren, konnte das Hauptanliegen nicht erreicht werden, eine Partnerschaft mit dem federführenden Amt der Stadtverwaltung auf Augenhöhe zu entwickeln. 2016 gab das Ordnungsamt ein Sicherheitskonzept in Auftrag, ohne die Schwafelrunde einzubeziehn. Selbst die Auswertung des Konzeptes und weitere Überlegungen wurden ohne uns als Gremium gemacht. Das war der letzte Beweis, nicht ernst genommen zu werden (und das lag nicht nur an dem Namen). Wobei nicht alle Teile der Stadtverwaltung das Angebot der Schwafelrunde ignoriert haben.
Seit einem Jahr ist die Luft also draußen. Das Prinzip der Freiwilligkeit, das bei der BRN immer Anwendung finden muss, ist an seine Grenzen gestoßen. Andere BRN-Veranstalter haben von der Möglichkeit, sich zu vernetzen und das Fest dadurch weiter zu entwickeln und schöner zu machen auch nicht Gebrauch gemacht. Die Finanzierung von übergreifenden Aufgaben, wie dem Toilettensystem, den Umzügen, dem Programmheft usw. wurde zwar vom Kulturamt in den letzten Jahren unterstützt, das Viertel selber konnte dafür aber nur partiell gewonnen werden. Ein trauriges Beispiel ist, dass es bis heute nicht gelungen ist, ein Pfandsystem für die BRN einzuführen. Es gilt nach wie vor, jeder ist sich selbst der nächste. Die Lösung, in Inseln zu denken und sich straßenzugweise, kreuzungsweise oder nach Plätzen zusammen zu schließen und eine Gestaltung der BRN für diesen Bereich abzusprechen ist auch nicht wesentlich vorangekommen. Es gibt immer noch nicht mehr Inseln, und die Vorzeigeinsel Talstraße hat 2017 gar keinen Anwohner gefunden, der genügend Zeit und Mut gehabt hätte, um die entsprechende Initiative zu starten.
Quasi mit letzter Kraft und der dämmernden Erkenntnis, dass die Schwafelrunde anfängt sich nur noch um sich selber zu drehen, konnten 2016 dann noch Kulturfördermittel beantragt werden um eine Konzeption für die BRN schreiben zu lassen, um Ideen zur Entwicklung des Festes anzustellen und diese mit den Protagonisten zu diskutieren, Außerdem wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben, dass die Rolle der BRN für Stadt und Umland auch aus ökonomischer Sicht beleuchtet und sich in Szenarien der Entwicklung versucht. Zentrale Fragestellung ist dabei, wie eine verbindliche Zusammenarbeit zwischen BRN und Verwaltung auch ohne Gesamtveranstalter möglich sein wird.
Tja und an diesem Punkt möchte die Schwafelrunde den Platz auf dem imaginären Regierungssofa freimachen. Bis hierher sind wir gekommen, weiter schaffen wir es nicht. Was aber nicht heißt, dass es kein Gremium der Veranstalter und Anwohner mehr geben wird. Aber dieses muss sich selbst und neu erfinden. Wir sagen „Auf Wiedersehen Schwafelrunde“ und „Hallo Unbekanntes“.
Wir schlagen vor, dass es im Nachgang der diesjährigen BRN eine Arbeitsgruppe der Stadtverwaltung mit den beteiligten Ämtern und gezielt eingeladenen Protagonisten der BRN aus dem Viertel geben soll, die sich anhand der Erfahrungen mit der Genehmigungspraxis mit der Konzeption und dem Gutachten auseinandersetzen und die Vorschläge für das nächste Jahr prüfen.
Bunte Republik Neustadt, 18.06.2017
Einige Beispiele für die Arbeit der Schwafelrunde
in den letzten Jahren:
2010
20 Jahre BRN, diplomatische Vertretungen anderer Mikrorepubliken zu Besuch
die Geburtstunde der Schwafelrunde
Das BRN-Museum öffnet im Stadtteilhaus seine Pforten
- BRN-Workshop im September “Wie weiter mit der BRN?”
- im Dezember erstes Treffen in einer Neustädter Kneipe
- Gründung der Schwafelrunde
2011
Amtsantritt der Improvisierten Provisorischen Regierung
Wiederauflage der BRN-Zeitung
Die Bunte Bulle wird erarbeitet und verkündigt
Tagesbefehl Nr. 2: “Macht mehr Kinder – stürzt, pardon, stützt das System”
Amtsantritt mit zahlreichen Amtshilfegesuchen
Der neue Thorn des Monarchen – ein geflügeltes Sofa
erster Kinderumzug
2012
Ein Motto wird verkündet und angenommen: “Die Grünbunte Republik”
Weltweit erstes Konzert nur für Zimmerpflanzen in der scheune. Es spielen “Electric Farm”
Das erste Anwohnerfrühstück auf dem Martin-Luther-Platz zur Vorbereitung der BRN wird veranstaltet
GrünTalstraße
Ente Flora geht auf Reisen
Begrüßung der Märzgeborenen, die bei der Befolgung des Tagesbefehls Nr. 2 entstanden sind
2013
Motto Farben, Flaggen, Frühstücken
Eine Verlegung der BRN auf das 2. Juniwochenende kann abgewendet werden
Es werden weitere Feiertage für die BRN ausgerufen
Tag der Bunten Bulle (letzter Aprilsamstag)
Tag der gedeckten Tafel (der wärmste Sonntag im Mai)
Tag der Demokratischen Filzhüte (15.09.)
Tag des Warmen Bieres (20.12.)
2014
Junimond
Film von David Campesino “Hol Dir die Straße zurück! Meld dich an!”
Kulturförderung ermöglicht erstes Programmheft und Einführung der Mikroförderung “Begrüßungsgeld”
2015
25 Jahre BRN – Das Schiff geht langsam unter, die Luft geht langsam raus
Wir fordern die Aussetzung der BRN für 2016 “Quo vadis BRN?”
Die Schwafelrunde führt einen Wanderpokal zur Unterstützung von weiteren Straßenfesten ein. Diesen bekommen das Martin-Luther-Platz-Fest und die “Schöne Schweppi”
2016
Schwafelrunde in Klausur
Bürgersteigrepublik durch die Anwendung des Sicherheitskonzeptes
Einführung der Mikroförderung “Inselprämie”
Kooperation Stadtverwaltung und Schwafelrunde angeknackst
2017
großes Genehmigungschaos im Vorfeld
es gibt Kulturförderung für die Erstellung und Abstimmung eines Konzeptes für die BRN
Mut zur Lücke!